Zwinkerzwinker ...
Sie sind eine Frau, Mitarbeiterin, Vorgesetzte. Einer Ihrer Mitarbeiterinnen wird von der Abteilungsleitung nahegelegt, sie solle in Zukunft die „zu kurzen” Röcke doch bitte zu Hause oder auf dem Dancefloor tragen. Nach einem Vorstellungsgespräch werden sie von Ihren männlichen Kollegen als erstes gefragt, ob die Oberweite einer Bewerberin wirklich dem entspräche, was ihr Bewerbungsfoto vermuten ließ. Ihnen wird eines Tages vom Abteilungsleiter eines anderen Bereiches empfohlen, keine Rollkragenpullover mehr zu tragen, denn ein kleines Dekolletee stünde Ihnen doch so gut.
Das war doch alles gar nicht so gemeint. Das war alles nur Spaß. Doch dieser Spaß war mein Alltag. Wie die Frauenwitze, die während Meetings erzählt wurden, an denen ich als einzige Frau teilnahm. Die Witze darüber, dass ich „französisch“ ja besonders gut könne. Oder die Tatsache, dass bei manchen Meetings meine Gesprächspartner*innen automatisch davon ausgingen, dass mein männlicher Assistent mein Vorgesetzter sei …
Mitgehangen, mitgefangen
Jahrelang stellte ich das nicht in Frage, es gehörte zur Normalität. So geht es vielen Frauen im Beruf: wir haben das Patriarchat internalisiert. Wir passen uns an. Ja, wir machen zum Teil sogar mit und lachen selbst über diese Witze. Das ist in vielen Unternehmen der Preis, um als Frau von der männlichen Mehrheit der Vorgesetzten akzeptiert zu werden und eine Chance zu haben, beruflich weiterzukommen.
Meine persönliche Strategie war damals, mit doppeltem Einsatz zu beweisen, dass ich den Job als Frau genauso gut erledigen konnte wie meine männlichen Kollegen. Ich strengte mich an, die Erwartungshaltung und die Voreingenommenheit meiner Vorgesetzten in Bezug auf mein Geschlecht zu erfüllen: Einerseits stark und hart in den Verhandlungen mit externen Geschäftspartner*innen aufzutreten. Und andererseits bestimmt, aber nicht zu selbstbewusst und zu laut innerhalb des Unternehmens zu agieren. Ehrgeiz wird nämlich bei Frauen nur in gewissen Maßen als positive Eigenschaft bewertet.
Ich hatte oft das Gefühl, meine Identität würde aus zwei Entitäten bestehen: der „echten“ Person und dem Avatar, der im Beruf eine Rolle spielte. Mein Avatar empfand einen ständigen unterschwelligen Druck, der irgendwann zu Entmutigung, Selbstzweifeln, Motivations- und Identifikationsverlust und zu dem Gefühl führte: ich passe hier nicht rein, ich bin fehl am Platz.
Win-win
Unser Arbeitsplatz sollte nicht von den Mitarbeitenden erfordern, dass sie sich an das patriarchalische Establishment anpassen müssen, um sich beruflich weiterentwickeln zu können. Es sollte genau umgekehrt sein: Unser Arbeitsplatz sollte Chancengleichheit für alle Profile unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Religion, körperlichen und geistigen Fähigkeiten und Aussehen bieten. Nur wenn sie sich wertgeschätzt fühlen, bleiben Mitarbeitende motiviert, mutig, loyal und leistungsfähig.
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